© Torben Kipp (Standort Borgloh (NI))
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Urteil im Narkose Drama: Zwei Jahre auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit Körperverletzung

Narkose-Drama vor Gericht - Arzt im Fokus nach Tod der Patientin - Fahrlässige Tötung in Tateinheit mit Körperverletzung - Was ging bei der Narkose schief? - Urteil im umstrittenen Fall gesprochen: zwei Jahre auf Bewährung

Urteil im Prozess wegen der Tötung einer 63 Jahre alten Frau in Osnabrück
OSNABRÜCK. Die 6. Große Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts Osnabrück hat gestern, 30. Januar 2025, ihr Urteil in dem Verfahren wegen der Tötung einer 63 Jahre alten Frau in Osnabrück gesprochen, die nach Einleitung einer Narkose für eine zahnärztliche Heilbehandlung verstorben war, vgl. PM 3/25. Der nunmehr 74 Jahre alte angeklagte Anästhesist ist wegen Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt worden. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Im Übrigen wurde er freigesprochen.
Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass der Angeklagte am 4. April 2023 vor Einleitung der Narkose pflichtwidrig unterlassen hat, die vorgeschriebene Funktionsprüfung des Narkosegerätes sowie den Kurzcheck durchzuführen. Hätte er den Kurzcheck durchgeführt, bei dem überprüft wird, ob Sauerstoff durch das Narkosegerät fließt, wäre ihm aufgefallen, dass dieses wegen eines defekten Ventiltellers nicht der Fall war. Ferner klärte der Angeklagte die Patientin vor der Operation nicht darüber auf, dass er die vorgeschriebene Funktionsprüfung des Narkosegerätes nicht durchführe. Nach Einleiten der Narkose gelangte aufgrund des defekten Ventiltellers kein Sauerstoff in den Körper der Patientin. Nach Erkennen der mangelnden Sauerstoffversorgung unterließ der Angeklagte pflichtwidrig, die Patientin vom Narkosegerät zu trennen und alternativ zu beatmen, so dass es in der Folge zu einem funktionellen Kreislaufstillstand kam. In Ermangelung eines standardgerechten Monitorings erkannte der Angeklagte diesen Umstand jedoch nicht. Vielmehr versuchte er bis zum Eintreffen des Notarztes die Patientin über das Narkosegerät zu beatmen. Der Notarzt konnte die Patientin reanimieren. Zu diesem Zeitpunkt war bereits aufgrund der Sauerstoffunterversorgung einer schwerster hypoxischer Hirnschaden eingetreten. Am 8. April 2023 verstarb die Patientin an den Folgen der Sauerstoffunterversorgung..
Die Kammer würdigte die Tat als Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung . Der Angeklagte habe pflichtwidrig gehandelt. Mangels hinreichender Aufklärung liege eine vorsätzliche Körperverletzung im Blick auf die eingeleitete Narkose vor. Eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 StGB scheide allerdings aus, da sich in dem Todeseintritt keine der mit den Aufklärungsmängeln verbundenen Pflichtwidrigkeiten realisiert hätten, sondern ein davon unabhängiger weiterer Sorgfaltsverstoß am konkreten Behandlungstag, nämlich der unterbliebene Kurzcheck ursächlich für den Tod der Patientin gewesen sei. Da der Angeklagte keinen Vorsatz hinsichtlich des Todes der Patientin gehabt habe, habe sich der Vorwurf der versuchten Tötung durch Unterlassen, den auch die Staatsanwaltschaft nicht mehr aufrechterhalten habe, nicht bestätigt. Es bleibe aber noch der Tatbestand der fahrlässigen Tötung, der zum Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung in Tateinheit hinzutrete.
Tat- und schuldangemessen sei unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren. Zugunsten des Angeklagten sei zu berücksichtigen, dass er sich im Kerngeschehen geständig eingelassen habe, nicht vorbestraft sei sowie auf seine Arztzulassung im Laufe des Verfahrens mit Wirkung zum 31. März 2025 verzichtet habe. Zulasten des Angeklagten spreche das erhebliche Maß der Pflichtwidrigkeitsverstöße. Die Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, da die begründete Erwartung bestehe, dass der Angeklagte die Verurteilung als Warnung wahrnehme und er auch ohne Strafvollstreckung in Zukunft keine weiteren Straftaten begehe. Da der Angeklagte zuvor straffrei gelebt habe und er mit Verzicht auf seine Arztzulassung keine Narkosen mehr durchführen werde, sei eine solche Erwartung nach Ansicht der Kammer gegeben. Es sei nicht mit schweren weiteren Straftaten zu rechnen. Auch die übrigen Voraussetzungen einer Strafaussetzung lägen vor. Das von der Nebenklage geforderte strafrechtliche Berufsverbot nach § 70 StGB wurde ebenso wenig angeordnet, weil dessen Voraussetzungen nicht vorlägen. Im Rahmen des ergangenen Bewährungsbeschlusses wurde dem Angeklagten unter anderem aufgegeben, an drei verschiedene gemeinnützige Einrichtungen eine Geldauflage von insgesamt EUR 54.000,00 zu zahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es kann von der Staatsanwaltschaft, der Nebenklägerin und dem Angeklagten binnen einer Woche mit der Revision zum Bundesgerichtshof angegriffen werden.

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